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Selfkant-Hillensberg, St. Michael

An Weihnachten 2004 wurde die historische Orgel der Pfarrkirche St. Michael in Selfkant-Hillensberg wieder in Gebrauch genommen. Nach einjähriger Arbeit präsentiert sich diese Brüstungsorgel wieder in einem Zustand, wie er um 1830 von einem bisher unbekannten Orgelbauer geschaffen worden war.

 

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Zustand der Orgel bis zu Abbau im Dezember 2003


Die Orgel und Orgelgehäuse waren vor dem Abbau getrennt aufgestellt: Das Werk selbst in die linke Ecke geschoben und um 90° gedreht, der Frontrahmen des Obergehäuse war separat an der Wand angebracht, nur das Untergehäuse blieb an seinem Platz als Teil der Emporenbrüstung.

 

Disposition


Windlade

Die Manualwindlade ist wenig verändert, die Änderungen sind nachvollziehbar.

Der Kanzellenkörper ist auf der Oberseite  (Schleifen) gespundet, die Unterseite ist papiert. Die gesamte Konstruktion, alle Teile der Windlade sind aus Eiche.
Die Pulpeten sind original, als durchgehende, in Kessel gedrückte Lederstreifen gearbeitet, der verbindende Messingdraht ist in runden Holzdübeln geführt.

Die Ventile sind original, lediglich auf der Cs-Seite sind die Ventile umgedreht worden. An dieser Stelle war ein nachträglicher Windeinlaß hergestellt worden, vermutlich in der Bauphase 1933, bevor das Orgelgehäuse versetzt wurde.

 

Gehäuse

Bei der Umstellung des Gehäuses sind viele Gehäuseteile zerschnitten weiterverwendet worden. Die Rückwand war sicher zwischen Brüstung und Turmwand, mit dieser hinten bündig. Die zuletzt vorhandene Rahmenkonstruktion gehörte jedoch nicht zum originalen Gehäuse, sondern war eine sehr einfache Neuanfertigung, bei der allenfalls stark veränderte Rückwandtüren aus Linde oder Pappel (wie bei den originalen Bänkchen) weiterverwendet wurden. Das am Spieltisch erhaltene Rückwandrahmenstück ist jedoch aus Eiche.
Nicht klar ist die Gestaltung der Seitenwände. An den beiden äußeren Lisenen es Gehäuses sind die Schlitze für Fitschenbänder erkennbar, demnach gab es an beiden Seiten durchgehende Seitenrahmen mit Türen. Dagegen spricht die erhaltene Spieltischwand, die auf eine angesetzte seitliche Verbreiterung schließen läßt.
Das historische Obergehäuse wurde offensichtlich beim Versetzen an die Wand deutlich gekürzt worden, auch die in den Gurtrahmen gehenden Zapfen sind dabei abgeschnitten worden. Die ursprüngliche Länge der Lisenen ist zu rekonstruieren, sie waren ca 240 mm länger.
Die anzunehmende Tiefe des Gehäuses, bedingt durch die Windlade, erlaubt nicht das Obergehäuse als durchgehende Konstruktion auf den Gurtrahmen zu stellen, da der Platz zwischen Brüstung und Schildwand nicht ausreicht. Die Rückwand muß also eingezogen werden. Da viele Teile am Gehäuse fehlen, gibt es keine Anhaltspunkte, wie dies konstruktiv gelöst war.

 

Spieltisch

Die seitenspielige Anlage jetzt hatte auf der von vorne gesehen linken Seite eine an der Kirchenwand anliegende Rahmenkonstruktion. Dies war offensichtlich ein Reststück der ursprünglichen Gehäuserückwand, so ist der Bodenrahmen und das davor liegende Deckprofil ablesbar.
Vermutlich war also das Gehäuse eine geschlossene Konstruktion, an die das Spieltischgehäuse aufgesetzt war, ähnlich wie in Buschhoven oder in Randerath, Ev. Kirche (beides Orgeln von Korffmacher).

 

Mechanik

Der Wellrahmen ist original, die Wellenärmchen sind jedoch komplett erneuert. Original waren die gekröpften Ärmchen am anderen Ende der Wellen, die geraden Ärmchen sind in ihrer alten Position.
Folge: Die Spielanlage wurde bei der Umstellung auf der anderen Seite aufgestellt, beim Wellrahmen mußte C- und Cs-Seite vertauscht werden. Dieser Seitenwechsel ist bisher noch nicht nachzuvollziehen, auffallend ist jedoch, dass zuletzt ein Pedelstück in der Mitte des Wellrahmens nicht besetzt war.

Die Registerzüge waren über der Notenpultfüllung, die entsprechenden Schubstangenlöcher sind erhalten. Die Registerschwerter aus Eisen sind original, aber als einarmige Hebel umgebaut – ursprünglich zweiarmig. Daraus folgt die Höhe der Windladen, mit den Schleifenangriffen.

 

Balganlage

Der Winddruck betrug vor dem Abbau der Orgel 65 mmWS.

Das Magazingebläse der Orgel wurde aus dem Dachraum ausgebaut. Es besteht aus einem Doppelfaltenmagazinbalg (1750 x 850 mm) mit zwei Schöpfbälgen. Die Belederung ist weitgehend verbraucht, vielfach mit allen möglichen Materialien geflickt. Der alte Motor verblieb im Turmraum und wird bauseits verschrottet.
Die Balganlage soll, mit neuem Motor auf der Empore, hinter dem Orgelgehäuse aufgestellt werden.


Versuch einer Zuweisung:
Als Erbauung kommt die Zeit nach 1800 in Frage, eine zweifelsfreie Zuweisung an eine bestimmte Werkstatttradition ist derzeit nicht möglich. Die Werkstätten der beiden genannten Orgelbauer van Dinter und Korffmacher könnten in Frage kommen. Franz Johann van Dinter (1805 – nach 1856) entstammt einer Orgelbauerfamilie in Tegelen NL. Die Werkstatt Korffmacher arbeitete in Linnich seit 1805.

Literatur:
Henk van Loo und Ton Reijnaerdts, Orgelandschap Maas – Rijn, Limburg 2003

Vor der Kirche ist der Grabstein eines Hillensberger Pfarrers, mit der lat. Inschrift: ANNO DOMINI 1814 .. MAY OBIIT PLURIMUM REVERENDUS AC DOCTISSIMUS DOMINUS FRANCISCUS GERARDUS DUMONT PASTOR IN HILLENSBERG GENEROSUS HUIUS ECCLESE BENEFACTOR RIP
In dieser Zeit davor sollte die Geschichte der Kirche untersucht werden, da die Orgel aus dieser Zeit stammen könnte.

Ebenso ist der Vermutung, die Orgel sei nicht für die Kirche in Hillensberg gebaut und dort als gebrauchtes Instrument aufgestellt worden, nachzugehen.

 

 

Die Restaurierung der Orgel durch Johannes Klais, Bonn, 2004

 

Die Restaurierung wurde in der Woche vor Weihnachten 2004 abgeschlossen, im Weihnachtsgottesdienst geweiht.

Die Orgelabnahmeprüfung durch Dr. Franz-Josef Vogt (Rhein. Amt für Denkmalpflege Brauweiler) fand am 29. Dezember 2004 statt.

Bei der Restaurierung der Orgel wurden keine direkten Hinweise auf den Erbauer der Orgel gefunden. Die Erbauungszeit des Instruments ist jedoch auf die Zeit um 1831 einzugrenzen. Weil Dichtungspapier in den Deckeln der gedackten Register Bourdon 8‘ und Flaut 4‘ datierte Zeitungsstreifen einer Aachener Zeitung von 1831 waren.
Unter der Brüstungskniebank fanden wir eine Bleistiftinschrift, die auf den Zeitpunkt des Umbaus der Orgel (Auseinanderziehen von Gehäuse und Orgelwerk) hindeutet: „Orgel umgebaut und Orgelbühne renoviert im Januar 1933 With [?]Stefan“

 

Disposition
Die Disposition der Orgel konnte nicht weiter präzisiert werden, da nicht für alle Positionen Hinweise auf die originale Besetzung gefunden werden konnten. Dennoch wurde versucht, dies soweit als möglich durch annähernde Einpassung der Mensuren an die vorhandenen Stockbohrungen zu erreichen.

 

Manual C – f 3 = 54 Töne

1 Praestant  4' Bass C – f°
2 Praestant  4' Disc. fs° – f 3
3 Bourdon 8' Bass C – f°
4 Bourdon 8' Disc. fs° – f 3
5 Spitzflaut 8' Disc. fs° – f 3
6 Viola da Gamba 8' Disc. fs° – f 3
7 Viola da Gamba 8' Bass C – f°
8 Gemshorn 4' Disc. fs° – f 3
9 Quint 3' Disc. fs° – f 3
10 Flaut 4'
11 Octave 2'
12 Mixtur 3fach 1'
13 Trompet 8‘ Disc. fs° – f 3
14 Trompet 8‘ Bass C – f°

Pedal C – c° = 13 Töne, angehängt

 

Pfeifenwerk

Eine auffallende, und bisher von uns noch nie gemachte Besonderheit bei den Metallpfeifen ist bei der Hillensberger Orgel: Normalerweise werden die Kerne auf die Pfeifenfüße gelötet, die Kernfase steht dann über die Oberkante des Fußes, Unterlabium, Kernunterseite und Fuß werden auf einer Höhe verlötet, der Pfeifenkörper an dieser Kante aufgesetzt. Bei allen historischen Metallpfeifen war der Fuß auf Labiumbreite eingeschnitten, der Kern sitzt also mit der Oberkante bündig auf dem Fuß; entsprechend dünn ist die Lötnaht zwischen Pfeifenkörper und Pfeifenfuß.
Die Orgel wurde nach Valotti temperiert und auf 450,5 Hz bei19,4°C eingestimmt.

 

Windlade

Da die Konstruktion der gesamten Windlade substanziell gut überliefert ist, konnte sich die Restaurierung auf eine wiederherstellung des technischen Zusammenhangs beschränken.
Der Kanzellenkörper, von der Oberseite gespundet, zeigte starke Rißbildung. Deswegen wurde die durchgehende Belederung der Oberseite abgelöst, die gerissenen Kanzellenspunde gelöst, aufgedoppelt und wieder mit Warmleim eingesetzt. Anschließend wurde die Belederung der Oberseite erneuert, Schleifenbohrungen ausgeschlagen und nachgebrannt und Schleifen und Dämme abgerichtet und neu ausgerichtet und aufgepasst.
Die Kanzellenunterseite war zuletzt außerhalb des Kanzellenblocks mit blauem Papier geschlossen; Ventilbahn und Kanzellen wurden bei der Restaurierung beledert.
Die Windzuführung in den Ventilkasten war zuletzt vom Boden her, hatte aber umbaubedingte Veränderungen nachgezogen: die Ventile auf der Cs-Seite waren umgedreht worden. Als ursprüngliche Windöffnung stellte sich die Spundseite heraus, wo im Mittelbereich kein originaler Spund vorhanden war, aber auch kein Vorreiber befestigt war.
Die Stöcke und Stockschrauben waren erhalten. Beim Stock für die Trompet 8‘ fehlte das Deckfurnier (das für den Glöckleinton 2fach abgehobelt war), wir konnten aber noch Spuren der originalen ausgebrannten Kesselungen erkennen.
So kannten auch die anderen fehlenden Pfeifen anhand der Stöcke rekonstruiert werden.
Im Zusammenhang mit der Drehung der Orgel waren auch die Schleifenangriffe auf die gegenüberliegende Stirnseite verlegt worden.

 

Spieltisch und Mechanik

Schon beim Abbau der Orgel war klar geworden, dass das Spieltischgehäuse der seitenspieligen Anlage in Front und Rückwand erhalten ist. Die originalen Registerzuglöcher und Registerzüge mit Schwertern waren ebenfalls vorhanden. Da auch die Anlage der Pedalkoppel vorhanden war sowie die (wohl 1933 ) erneuerte Pedalklaviatur, konnte die Spielanlage mit einer neuen Maualklaviatur rekonstruiert werden.
Die Wellrahmenmechanik war durch das Umdrehen der Orgelanlage verändert worden: Die gekröpften Ärmchen warne durchwegs aus Messing mit Lederseele erneuert.

Der Wellrahmen war zerschnitten, einzelne wellen gekürzt, dennoch war die ursprüngliche Dimension und die Lage der Wellen ablesbar. Auffallend waren die gekröpften Abzugsärmchen nicht von oben in die Welle geschlagen, sondern um 45° diagonal in die Welle gesetzt und dann in die Senkrechte gebogen. Vorbild für die von uns nachgeschmiedeten Wellenärmchen waren die erhaltenen am Pedalkoppelwellenbrett. Die Abstrakten wurden durchwegs erneuert, da die seit dem Mechanikumbau vorhandenen nicht mehr passend waren.

 

Gehäuse

Die originalen Bauteile des Gehäuses wurden ergänzt und logisch zugeordnet. So verblieb die Untergehäusefront in situ stehen. Der abgeschnittene Gurtrahmen wurde seitlichverlängert. Die erhaltene Türe aus Eiche, nachweislich um ca 125 mm verkürzt wurde wieder verlängert und der rechten Seitenwand des Gehäuses zugeordnet.
Die Lisenen des Obergehäuses wurden ebenfalls um ca. 220 mm verlängert, das Maß ergab sich durch die erhaltenen, jüngeren Prospektpfeifen aus Zink und der veränderten Stellung der Prospektraster.
Die komplizierte Stellung des Gehäuses auf der Empore zwischen Emporenbrüstung und eingesenktem Turmbereich machte es notwendig, die Orgelrückwand losgelöst von der Gurtrahmenkonstruktion zu bauen.
Alle Türen wurden profiliert wie die beiden erhaltenen Türen an Seitenwand und Kniefüllung.

 

Gebläse

Es ist anzunehmen, dass der zuletzt erhaltene Magazinbalg spätestens 1933 auf dem Zwischenboden über der Empore eingebaut wurde. Dieser Bald wurde gereinigt und neu beledert hinter dem Orgelgehäuse aufgestellt. Der Motorkasten mit einem neuen Schnellläufer bildet das Traggestell für den Balg, der auch noch einen Schöpfbalg an der Bodenplatte hat, sodass die Orgel auch mit handgeschöpften Wind betrieben werden kann.
Vom Balg geht ein Windkanal direkt zum Spund der Windlade.
Der Winddruck wurde wie vor dem Abbau mit 65mm WS abgewogen.

 

Dr. Theobald