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Köln/DE, Hochschule für Musik und Tanz, Raum 109

Größte Schwester der neuen Orgel-Quadriga

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Ein Orgelneubau in einer Musikhochschule ist für uns Orgelbauer immer ein ganz besonderes Projekt. An keinem anderen Ort sind die Anforderungen an eine Orgel so vielfältig und gleichzeitig die Rahmenbedingungen so komplex, wie in einer charakteristischen Hochschulsituation.

 

Hier soll das Instrument nicht nur Vorlieben eines einzelnen Organisten musikalisch unterstützen, sondern muss möglichst viele Orgelstile so adäquat darstellen können, dass notwendige Kompromisse das Lernziel nicht verschleiern. Dazu kommen natürlich auch persönliche Präferenzen – aber eben nicht von einem einzelnen Organisten, sondern von vielen Lehrenden, die alle täglich mit dem neuen Instrument arbeiten wollen.

 

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Noch spannender wird dieses Projekt für uns Orgelbauer durch die Zusammenarbeit zweier Werkstätten, die in ihrem Schaffen unterschiedlicher kaum sein könnten: Manufacture d'orgues Thomas aus dem belgischen Stavelot mit einem deutlichen Schwerpunkt im Bau von historisierenden Instrumenten und Johannes Klais Orgelbau aus Bonn mit einer stärkeren Ausrichtung zum zeitgenössischen Orgelbau. Ganz bewusst haben wir uns zu dieser Zusammenarbeit entschlossen, um der angestrebten Vielseitigkeit des Instruments auch mit Blick auf die mannigfaltige Geschichte der Orgel und ihrer Tradition gebührend Rechnung zu tragen.

 

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Die wohl größte Herausforderung ist jedoch die typische Raumsituation einer Unterrichtsorgel. Während man sich in manchem Konzertsaal noch komfortabel ausbreiten kann, sind Unterrichtsräume meist deutlich kleiner. So soll eine große Orgel in einen kleinen Raum gebaut werden, mit Kathedralklang in Wohnzimmerakustik – und zu laut darf sie auch nicht sein, sonst kann der Kollege im Nachbarraum nicht ungestört unterrichten. Und während der einzelne Student seine französische Toccata gerne mal so richtig knallen lassen möchte, muss der Professor die Orgel den ganzen Tag "aushalten" können.

 

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Die für dieses Projekt verantwortlichen Intonateure Andreas Saage und Dominique Thomas brüteten lange über ganz vielen Nachkommastellen, um den klanglichen Kreis zu quadrieren. Während man nämlich eine Orgel ganz einfach sehr SEHR laut machen kann, ist der umgekehrte Weg erheblich schwieriger. Viele charakteristische Klangfarben, die sich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet haben, sind an für den jeweiligen Orgelstil typische Parameter geknüpft, die in einem solch kleinen Raum nicht unverändert übernommen werden können.

 

So besteht der erste Teil der Intonationskunst in der Auswahl der "richtigen" Mensuren, die die gewünschte Klanggestaltung an den fertig gebauten Pfeifen unterstützen, ja erst möglich machen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist nicht nur ein gehöriges Maß an klanglicher Vorstellungskraft bei der Planung notwendig, sondern auch eine enge Zusammenarbeit von Intonateur und Organisten während der Intonation.

 

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Derart zusammengefasst scheint die Aufgabenstellung unlösbar. Doch wir Orgelbauer verspüren nach dem ersten Schreck ein leichtes Kribbeln in der Magengrube. Die Projektbeschreibung wird im Hinterkopf von links nach rechts und einige Stunden später von rechts nach links geräumt. Wenn sie wieder zum Vorschein kommt, sind wir begeistert von der Komplexität und Herausforderung der Aufgabe und können uns kaum ein faszinierenderes Projekt vorstellen. Ehrlich. So sind Orgelbauer.

 

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Dann folgt der schmerzhafteste Teil jeder Projektplanung: das Streichen. Nicht mit gelber Farbe (passend zu den Türen im Haus), sondern mit dem Rotstift. Unsere Kreativität hat Grenzen, und zwar solche aus Stein um den zur Verfügung stehenden Platz herum und natürlich die finanziellen, weil immer am Ende des Geldes noch so viel Wunsch übrig ist.

 

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Die Kunst aller Beteiligten besteht nun darin, diese Begrenzungen kreativ zu nutzen, um im verfügbaren Rahmen – räumlich wie finanziell – ein musikalisch anspruchsvolles und in sich geschlossenes Instrument zu konzipieren. Gleichzeitig bietet sich den Studierenden die einmalige Gelegenheit, eine große Orgel – denn darum handelt es sich hier trotz aller räumlichen Einschränkungen – von Tag zu Tag wachsen zu sehen. So entfaltet sich vor unseren Augen und unter unser aller Finger ein Orgelprojekt von außergewöhnlichem Facettenreichtum.

 

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Rheinische Zuversicht hilft uns weiter: Et hätt noch emmer joot jejange! Und so sind wir zuversichtlich, auch hier eine für alle beglückende Lösung gefunden zu haben.

 

Gesa Graumann

 

zur Disposition…