München-Sendling, St. Margaret
Orgelbau im Spannungsfeld zwischen gewachsemem Zustand und Neuordnung
alle Fotos: Christian Bischof, München
Die Kirche St. Margaret in München beeindruckt durch ihre Lage inmitten des lebendigen Stadtkerns von Sendling, durch ihre architektonische Klarheit und Stringenz und durch die Weite und Größe in ihrem Inneren. Eine Kirche, die unmittelbar zum Nachdenken über das eigene Sein im großen Kosmos anregt, und in der wir uns gleichzeitig geborgen und umfangen fühlen.
Prospekt nach Abschluss der Arbeiten
Die Orgel auf der Westempore, mit ihrem eindrucksvollen klaren 32'-Prospekt (die längsten Pfeifen in der Fassade der Orgel haben eine Gesamtlänge von über 10m) geht auf ein Orgelwerk der Münchner Orgelbauwerkstatt Nenninger & Moser aus dem Jahr 1915 zurück.
Nenninger & Moser 1915
Die 1915 erbaute Margaretenorgel mit 56 Registern, verteilt auf 3 Manuale und Pedal, hatte eine überregionale Bedeutung im Sinne der elsässischen Orgelreform. Die elsässische Orgelreform lenkte die Ideen der Romantik in eine neue farbige Wiederentdeckung der Musik von Johann Sebastian Bach und seiner Zeitgenossen. Diese Orgel war mit beiden Beinen fest in den Traditionen der Romantik verwurzelt und öffnete sich gleichzeitig der Klarheit und Farbigkeit, die mit der Wiederentdeckung Bachscher Orgelmusik später durch die „Orgelbewegung“ postuliert wurde. Das Instrument wurde 1944 bei einem Bombenangriff stark beschädigt.
1944
Nach den Zerstörungen des 2. Weltkrieges erfolgte ein Teilneubau des Instrumentes mit 38 Registern durch Anton Schwenk, einen Schüler von Leopold Nenninger. Die 1955 unvollendet erbaute Orgel wurde erst nach dessen Tod in mehreren Schritten erweitert, 1970 durch Wilhelm Stöberl (Münchner Orgelbau), der die Werkstatt von Anton Schwenk nach dessen Tod weiterführte, sowie 2002 durch Johannes Führer, der seit 1994 bis heute die Werkstatt Münchner Orgelbau leitet.
Anton Schwenk 1955
Die Darstellung dieser bewegten Geschichte dieses bedeutenden Instrumentes ist uns wichtig, um unsere Ideen zur Neuordnung dieser Orgel verständlich zu machen: Vergleichbar einem Haus, welches unter Verwendung eindrucksvoller Einzelteile der Gründerzeit nach dem Krieg wiederaufgebaut wurde und dann in den folgenden Jahrzehnten kontinuierlich erweitert wurde, erschien es uns nun, 2019/2020 notwendig und sinnvoll, das gesamte Instrument unter respektvollem Umgang mit der historischen Substanz einer konsequenten Neuordnung zu unterziehen.
der neu-bronzierte 32'-Prospekt
Die Erweiterungen und Hinzufügungen waren alle wohlbedacht und klanglich sinnvoll. Jedoch hatte die Klarheit der Gesamtanlage gelitten; die Zubauten verstellten den Zugang zu Wartung und Pflege; sie hinderten den Klang an einer freien Entwicklung. Im Zuge der zahlreichen Zubauten waren dunkle, schmutzsammelnde Winkel im Orgelinneren entstanden, die in Verbindung mit der kalten, feuchten Westwand stetig wachsenden technischen Problemen Vorschub leisteten.
neue Werkanordnung
Die Neuordnung hat nun die Orgel von der Wand abgerückt; der entstandene Platz sorgt für einen optimalen Zugang zum gesamten Instrument von hinten und für eine konstante Durchlüftung des gesamten Bereiches sowie eine Zugänglichkeit zur Westwand, sollte dies einmal notwendig sein.
Pfeifen der Prospektmitte
neue Schwellwand hinter dem 32'-Prospekt
Die klimatische Abkopplung der Orgel von der kalten Westwand ist auch für die Stimmhaltung des Instrumentes wichtig: Durch die Vermeidung des vorherigen Temperaturgefälles zwischen Orgelfront (Raumtemperatur) und wenig isolierter Westwand verbessert sich die Stimmstabilität des Instrumentes.
Spieltischgestaltung in Anlehnung an Nenninger im Gehäuse von 2002
neue Registerwippen nach Nenninger 1915
Durch das Verlegen der Zugänge für Wartung und Pflege in den neu geschaffenen Raum hinter dem Instrument kann der Platz im Inneren für die klar strukturierte Orgelanlage genutzt werden: Die spannende Ursprungsidee der Orgel von 1915 rückt so wieder in den Fokus: Ergebnis unseres Arbeitens ist die Wiedererstehung eines Instrumentes, welches eine warme samtige Grundtönigkeit (die sich mit dem ganzen Körper erspüren lässt) mit einer klaren zeichnenden Farbigkeit (die für polyphone Klänge wichtig ist) vereint.
friedliches Nebeneinander von Alt und Neu
Pfeifenwerk im Hauptwerk
Für diese komplexe Aufgabenstellung haben sich zwei Werkstätten, die Münchner Orgelbauwerkstatt Kaps sowie die Bonner Orgelbauwerkstatt Klais zu einem Team vereint. Ziel war die Fortschreibung der Ideen von 1915 in die Zukunft. Aus beiden Werkstätten ist ein Projektteam eng zusammengewachsen. Wir sind dankbar und glücklich über diesen schönen kollegialen und freundschaftlichen Austausch sowie die anregende gegenseitige, respektvolle Ergänzung.
(Philipp Klais, Andreas Saage, Christoph Kaps, Grußwort für die Festschrift, leicht gekürzt)
angelängte Holzpfeifen mit neuen Stimmrollen